Ich hätte mal eine Frage an dich:

Bist Du auch mit einem grünen Daumen gesegnet?

Ich leider überhaupt nicht. Manchmal habe ich das Gefühl, dass selbst meine Kunstpflanzen sich wünschen, lieber woanders gelandet zu sein. 🙂

Nein, jetzt mal im Ernst: wie können manche Pflanzen es sich leisten, so anspruchsvoll zu sein?

Eine bestimmte Beschaffenheit der Erde, Zusammensetzung des Düngemittels, Bewässerungszeiten und -mengen, Sonneneinstrahlung, Luftfeuchtigkeit, Nähe zu den anderen Spezies gleicher Gattung.

Die Ansprüche einer Pflanze können also wirklich vielfältig sein. Und dementsprechend auch der Aufwand, der für ihre Pflege erforderlich ist.

Doch wie kann das überhaupt sein? Wie haben die Vorfahren dieser Pflanze denn überleben können, so ganz ohne menschliche Hilfe?

Einige Menschen sagen, dass je weiter die Pflanze von ihrem natürlichen Lebensraum entfernt ist, desto mehr Pflege braucht sie, um trotzdem gedeihen zu können.

Demnach braucht jede Spezies ein für sie passendes Umfeld, damit es ihr richtig gut geht.

Je exotischer eine Pflanze ist, desto spezieller ist ihre natürliche Umgebung und somit auch ihre Bedürfnisse. Und desto schwieriger ist es, diese Bedürfnisse künstlich zu erfüllen.

Wenn es dem Gärtner nicht gelingt, eine ausreichend gute Kopie des natürlichen Umfelds herzustellen, wird es der Pflanze auf Dauer meistens nicht gut gehen.

Sie wird zwar vielleicht überleben, aber es wird ihr eben an irgendwas mangeln, und dieser Mangel wird auf Dauer nicht gut für sie sein.

Ich frage mich manchmal, ob das auch für alle anderen lebenden Organismen gilt, also auch für die Menschen.

Ob jeder von uns ein passendes Umfeld braucht, um möglichst viele von seinen Bedürfnissen auf eine natürliche Art und Weise erfüllt zu bekommen und sich dadurch optimal entfalten zu können.

Und je weiter sich der Mensch von seinem natürlichen Umfeld befindet, desto höher ist die Gefahr, dass seine wichtigsten Bedürfnisse nicht so ohne Weiteres erfüllt werden. Und das dadurch womöglich Defizite entstehen, die auf Dauer nicht gut für ihn sind.

So wie die Pflanze auf Nährstoffe aus dem Boden angewiesen ist, bezieht auch der Mensch physische, psychologische und soziale Nährstoffe aus seinem Umfeld. Und ihre Zusammensetzung kann dafür entscheidend sein, ob er ein wirklich erfülltes Leben führt.

Doch ein erwachsener Mensch sollte ja eigentlich im Gegensatz zu einer Pflanze in der Lage sein, selbst dafür zu sorgen, dass seine Lebensbedingungen optimal für ihn sind, oder nicht?

Dass er sich also sein physisches, mentales und emotionales Umfeld so gestaltet, wie er es braucht. Wie es für ihn auf Dauer gut ist, weil seine Bedürfnisse darin auf eine natürliche Art und Weise erfüllt werden.

Was braucht denn ein Mensch, um so etwas selbst gestalten zu können? Braucht er ein besonderes Gespür, eine gewisse Wahrnehmung, muss er erst in sich hineinhören, um zu begreifen, was ihm wirklich gut tut?

Und was ist, wenn er etwas entdeckt, was nicht zu seinem natürlichen Umfeld passt? Wird er in der Lage sein, diese bestehenden Strukturen aufzubrechen, um sie verändern zu können?

Oder wird er am Ende sogar woanders hingehen müssen, so wie die Pflanzensamen, die mit Hilfe des Windes oder der Vögel nach fruchtbarem Boden suchen, um dort aufblühen zu können?

Muss ein Mensch sich verändern, damit sich sein Umfeld verändert? Oder ist es genau andersherum?

Ich muss zugeben, dass ich keine Antworten auf diese Fragen habe.

Vielleicht ist es auch so, dass jeder diese Fragen für sich selbst beantworten muss.

Oder womöglich sogar immer wieder beantworten muss, auch weil sich unser Umfeld mittlerweile viel schneller verändert, als es für uns natürlich wäre.

Doch kehren wir erst einmal zurück zu der eigentlichen Frage.

Vielleicht möchtest Du dich kurz entspannen und dir einen sonnigen Frühlingstag auf einer Wiese vorstellen.

Die unendliche Vielfalt der Pflanzen, Farben und Düfte um dich herum. Intensität und Pracht, die man wahrnehmen kann. Wie ein Körper, der die angenehme Wärme spürt und sich darin wohlfühlt.

Manche wirken belebend, manche eher beruhigend. Anregend zum Nachdenken, zum Nachspüren der Dinge von vorhin.

Freies fließen lassen von Gedanken, passend zu der Vielfalt und der Reichhaltigkeit der Wiese.

Natürliches Umfeld für gesunde Strukturen, für frei wirkende Prozesse, für vieles, was die Natur so vorgesehen hat.

Was sich im tiefen Vertrauen auf die eigenen Fähigkeiten entfalten kann.

Und was dich die sanfte und geheimnisvolle Weisheit des Lebens wahrnehmen lässt, während du das alles ganz gelassen beobachten und dich auf deine eigene Weise wohlfühlen kannst.

Vor gar nicht zu langer Zeit waren diese Pflanzen nur Samenkörner. Bestimmt hat jeder von uns schon mal Samenkörner im Frühjahr auf der Erde liegen sehen.

Man muss schon ganz genau hinschauen, um sie zu sehen, so unscheinbar und scheinbar unbedeutend.

Und ich weiß nicht, ob Du schon mal darüber nachgedacht hast, welche unglaubliche Kräfte in einem solchen Korn stecken.

Lebenstriebe, die sich innerhalb dieser kleinen Hülle entwickeln und zum richtigen Zeitpunkt in der Lage sind, die Schale zu durchbrechen und erste, vorsichtige Wurzeln zu entwickeln, die die Gegend erkunden und sich einen passenden Weg suchen.

Und diesen einmal gefunden, sich stetig nach unten arbeiten, in die Tiefe, in den fruchtbaren Boden, voller natürlicher Nährstoffe. Sich zusammen mit vielen anderen Wurzeln entwickeln und mit ihnen verweben, voneinander lernen und miteinander leben, dadurch ihre Stabilität und ihr Wachstum sichern.

So dass irgendwann tiefes Vertrauen in die eigene Struktur, gegenseitige sichere Verwurzelung entsteht, dadurch auch die Möglichkeit, mehr Nahrung aufzunehmen und weiter zu gedeihen.

Umfassendes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, das sich dadurch entwickelt und immer mehr festigt. Durch die Energie, die in der fruchtbaren Tiefe aufgenommen wird und prachtvolle Blüten und Früchte auf der Oberfläche wachsen lässt.

So dass sich beides sinnvoll vereint und im Einklang ergänzt. Sich gegenseitig schützt und auch mal Phasen durchstehen lässt, in denen vielleicht nicht ganz so viel Sonne scheint.

Erstaunlich, wie gut es zwischen den beiden Ebenen funktioniert. Die sichere Verwurzelung in der Tiefe, die so viel Nahrung und innere Kraft gibt, und die wundervolle Pracht an der Oberfläche, die die Sonnenstrahlen aufnimmt und sie in wertvolle Energie umwandelt.

Wie so vieles, was die Natur so vorgesehen hat. Was sich im natürlichen Umfeld optimal entfalten kann. Im festen Vertrauen auf die eigenen, anfangs vielleicht sogar verborgene Fähigkeiten.

Und wer weiß, wie viele unscheinbare Samenkörner noch da liegen, die sich, von außen vielleicht unbemerkt, aber ziemlich sicher, darauf vorbereiten, dass irgendwann ihre Zeit kommt und sie ihr volles Potenzial zur Geltung bringen.

Vielleicht möchtest Du dieses ruhige Bewusstsein noch etwas länger auf dich einwirken lassen. Diese schützenden Kräfte noch einmal in dir spüren. Und noch etwas den wohltuenden Sonnenschein der Wiese genießen.

Lass dir bitte soviel Zeit dafür, wie Du brauchst.

Um dich schließlich zu sammeln und in deiner eigenen Geschwindigkeit, gestärkt und gut erholt, hierher zurück zu kommen und vollständig wach zu werden.

Vielen Dank dafür, dass Du es dir hast gut gehen lassen!


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